Die Städtische Galerie Iserlohn (Theodor-Heuss-Ring 24) präsentiert bis zum 1. September die Ausstellung „wirklich:konkret“. Sie zeigt vier Sichtweisen auf die konkrete Kunst und vereint Skulpturen, Malerei und Papierarbeiten und Installationen von Stefanie Bornemann, Hartwig Kompa, Elisabeth Sonneck und Helga Weihs.
Stefanie Bornemann
Visuelle Informationen, die universell verstanden werden können, formuliert Bornemann in ihren Arbeiten auf Papier aus der Serie „Codes“. Dazu nutzt sie ein definiertes Repertoire von Elementen – vergleichbar mit Alphabeten, Zahlensystemen oder Tönen – deren Anordnung analog dazu auf bestimmten Regeln basiert. Die Elemente ihrer Kompositionen sind feine Streifen, die sie aus Aquarellmalereien auf Papier schneidet. In lasierenden Schichten übereinander gelegt, staffeln die Farben sich von kaum sichtbarer Zartheit bis hin zu satter Tiefe. Lotet sie in den monochromen Streifen die Vielfalt eines Farbtons im An- und Abschwellen, im Forte und Piano aus, so finden sich in manchen Werken auch Akkorde mehrerer zusammenklingender Farbtöne. Die Farbstreifen werden nun auf weißem Papiergrund zu reduzierten Kompositionen gefügt, die als Solo eines Farbtons oder Zusammenspiel verschiedener Töne konzipiert sein können. Die vertikale Anordnung entspricht der Analogie zu geschriebenen sprachlichen Informationen oder auch musikalischen Partituren. Dabei entfalten sich die Farben im Raum der Papierfläche: Auch sehr zarte Nuancen erscheinen im Kontrast zum leeren Umraum präsent und nahezu räumlich, scheint die Farbe doch durch die Aquarelltechnik vom untenliegenden Weiß, der Summe aller Lichtfarben, her zu leuchten. Der Rhythmus, in dem die vertikalen Streifen angeordnet werden, beruht auf der Zahl φ = 0,618, dem Kehrwert des „Goldenen Schnitts“ (Φ = 1,618), der nicht nur in Mathematik und Kunst von ungebrochener Bedeutung ist, sondern sich auch in der Natur findet. Diese Konstante bindet die Farbelemente und den Umraum in einem festen, nicht beliebigen Verhältnis zusammen. Das System erlaubt der Künstlerin, den Inhalt dieser Codes subjektiv zu gestalten, etwa in der Wahl der Farben. Der besondere Reiz der Bildserie liegt in der Sinnlichkeit der Farbe und der Ästhetik der Zahl zugleich. www.stefbornemann.de
Hartwig Kompa
Sein künstlerisches Lebenswerk ist der Farbe gewidmet. Sie ist nicht nur Darstellungsmittel, sondern zugleich Gegenstand seiner Malereien. Mit ihnen versucht er, den Charakter dieses grundlegenden Elements der Wirklichkeit und der künstlerischen Praxis zu ergründen, das rational nicht zu fassen ist. Dazu gehört auch die Erscheinung von Farbe und damit auch ihre Erfahrung durch Betrachtende. Neben der Koloristik befasst Hartwig Kompa sich dazu intensiv mit Materialität und Struktur von Farbe. So experimentiert er mit unterschiedlichen Malgründen und Farbmaterien, denen er auch Metallspane, Glasmehl, Sand oder anderes beimischt, um besondere Oberflächen zu erzielen. Zumeist fokussieren seine Malereien eine Farbe, und doch wird ihnen das Etikett „monochrom“ nicht gerecht. Die Strukturen, die er mit der Materie und seinem Duktus erzeugt, beleben die konzentrierten Farbmalereien, die jegliche Formkomposition vermeiden. Lediglich die geradlinigen, rechtwinkligen Formate der Träger begrenzen die Bildfläche. Kompa halt sich an die Flache – des Bildträgers und auch der Wand des Ausstellungsraumes. Zugleich läsen sich seine Bilder visuell aus dem Zweidimensionalen. Durch die stoffliche Tiefe öffnen sich ganze Farbräume. Die Farbe entfaltet in Kompas dichten, körperhaften Werken eine volumenhafte, teils auch ätherische Präsenz, die in den umgebenden Raum hineinwirkt. In den oft menschengroßen Formaten werden die Malereien zu einem lebendigen Gegenüber, mit dem man sich in einen intimen Dialog vertiefen kann. Ebenso wie die anderen Künstlerinnen dieser Ausstellung ist Kompa auch als Kurator tätig. Ihm ist die Ausstellung Präsenz der Farbe zu verdanken, die 1984 im Verein für aktuelle Kunst in Oberhausen stattfand. Sie gilt weltweit als eine der wichtigsten Präsentationen des Radical Painting und prägt das Profil des renommierten VfaK bis heute. www.kompa.de
Elisabeth Sonneck
Sie schafft Wirklichkeiten im Bewusstsein der einzigartigen Verbindung von spezifischem Ort, Zeitmoment, Farberscheinung, wandelbarer Form und subjektiver Wahrnehmung. Beziehungen von Farbe, ihre koloristische Zusammensetzung und ihre Erscheinung im Raum sind der Kern ihres Schaffens. Die formale Reduktion ihrer Kompositionen auf repetitive geradlinige Flächen lässt die Farbe ganz im Fokus stehen. In breiten, freihändigen Zügen legt sie viele lasierende Schichten von Ölfarbe übereinander, sodass die verschiedenen Töne optisch zusammenklingen. Der rhythmische Aufbau ist an den Rändern des Bildfeldes erkennbar, wo die einzelnen Nuancen erscheinen. Sie schätzt als Malgrund insbesondere Papier in langen Bahnen. Ihre konsequent reduzierte Palette in Form und Technik ermöglicht, die authentischen Eigenschaften des Materials auszuloten und umfassend zu integrieren: Wie die Bilder sich zeigen etwa wird von der Eigenspannung des Papiers mitbestimmt. Die flächigen Malereien treten in den Raum. Sie entrollten sich teils vor der Wand, liegen in Wellen am Boden, streben spiralförmig auf oder hängen in Wirbeln wie schwerelose, wandelbare Skulpturen in der Höhe. Allein durch das Austarieren des Eigengewichts mit gefundenen Dingen des Alltags werden sie, in sensibler Balance, gehalten. Stets im Dialog auch mit dem jeweiligen Ort und seinen Eigenheiten, schafft Sonneck Installationen, in denen sich die Malereien in ihrer temporären Gestalt mit dem Raum verbinden. Besucher erfahren die Arbeiten dadurch nicht rein optisch, sondern auf unmittelbare, körperliche Weise und in der Bewegung. Während dank der systematischen Arbeitsweise, des klaren Aufbaus und des transparenten Umgangs mit allen Aspekten des Prozesses die Werke rational begriffen und nachvollzogen werden können, so überzeugt die Farbe mit ihrem besonderen Charakter, den der Verstand nicht fassen kann. www.elisabeth-sonneck.de
Helga Weihs
Weihs zeigt hier Werke aus einem Zeitraum von fast 30 Jahren. Sie offenbaren beständige Merkmale ihres Schaffens – etwa die Beschäftigung mit Form und Raum, Oberfläche und Volumen sowie die Technik modularen Verfahrens – wie auch eine stringente Entwicklung vom Körper zur Raumdefinition unter Anwendung baulicher Konstruktion und architektonischer Prinzipien. Ihr Material sind hier durchweg Holzer, deren lebendigen, organischen Zeichnungen und individuellem Kolorit sie eine klare, geometrische Formgebung entgegensetzt. Weihs verwendet sie als geradlinig zugeschnittene Module, die sie konstruktiv zusammenfügt. Dabei folgt ihr schichtendes Vorgehen je zweier kontrastierender Stoffe prinzipiell der gewachsenen Struktur von Holz. So resultiert die Binnenzeichnung etwa von HK-II-94 aus der Verbindung von Ahorn und Ulme zu einer neuen Einheit. Die auf dem Boden lagernde, massive und vollkommen in sich geschlossene Skulptur in der idealen geometrischen Figur der Kugel steht im größtmöglichen Gegensatz zum orthogonalen Raum, in dem sie sich verortet. Ovale Ringe sind in der zweiteiligen Arbeit HK-I-1999 zu dichten Wänden als schwungvoller Umriss des Innenraums gefügt, der nur in einer der äußerlich identischen Skulpturen leer ist. In der Folge wird der (Leer)Raum selbst zum Gegenspieler des Holzes. Der Blick auf die Bodenskulptur HK-I-2015 tastet sich tief und tiefer hinein in einen Raum, der zu einem äußerlich massiven Block umbaut ist. Die Skulptur 4kant 2023 definiert einen rechteckigen, nach oben hin offenen Raum. Die Seitenflächen sind aus vielen Lagen geölter Thermoesche geschichtet und tektonisch gefügt, wobei durch unterschiedliche Maße der Hölzer Durchbrüche in den strengen, dunklen und dichten Flächen entstehen. Sie geben den Blick in das Innere partiell frei und entfalten – je nach Perspektive – ein Wechselspiel von Hell und Dunkel, von Licht und Schatten. www.helgaweihs.de
Die Städtische Galerie lädt alle Interessierten zum Besuch der Ausstellung ein. Die Öffnungszeiten sind mittwochs bis freitags von 15 bis 19 Uhr, samstags von 11 bis 15 Uhr sowie sonntags von 11 bis 17 Uhr.